Statement des Vertriebsvorstands der Ingenics AG Andreas Hoberg zur Einordnung der IAA 2017

Die 67. IAA 2017 steht unter dem Motto „Zukunft erleben“. Die Entwicklung der Aussteller- und Besucherzahlen kann damit nicht gemeint sein, denn mit 994 Ausstellern meldeten sich rund 100 weniger an, als zwei Jahre zuvor. Das Fehlen von Tesla macht den Innovationsführer zum heimlichen Star dieser Messe. Denn was die anwesenden Hersteller im Bereich Elektroantrieb zu bieten haben, geht nur in wenigen Fällen über Modellstudien hinaus. Nun müssen die 40 Milliarden Euro, die sie bis 2020 in alternative Antriebe investieren wollen, klug eingesetzt werden.

Ingenics ist seit über 30 Jahren mit der Automobilindustrie verflochten. Wir haben neue Produktionsstätten im Ausland konzipiert, bestehende Fabriken „lean“ gemacht, „Lean Logistics“ implementiert – und haben heute mehr zu tun denn je. Was allerdings nicht immer einfach ist, da es – aus der Innensicht – weniger überzeugende Umsetzungsszenarien für den Wandel gibt, als es von außen den Anschein hat.

Wieder einmal könnte eine IAA einen Wendepunkt markieren. Ich halte es für sehr gut möglich, dass wir uns an die IAA Pkw 2017 einmal genau so erinnern werden. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Premiumhersteller in zwei Jahren noch einmal ihre schwersten Verbrenner-Modelle mit schlechten Energieeffizienzgraden in der ersten Reihe präsentieren, als habe sich die Welt nicht weitergedreht. Man sollte die Bedeutung der IAA als Konjunkturbarometer nicht unterschätzen: 1931 läutete die 22. IAA den Aufschwung nach der Weltwirtschaftskrise ein, die 35. IAA bedeutete 1951 den Abschied von Berlin am Beginn des westdeutschen Wirtschaftswunders und die IAA Nutzfahrzeug 2010 markierte die Wende nach dem verheerenden Krisenjahr 2009.

Das Interesse an der E-Mobility in der Bevölkerung wächst. Eine gefühlte Vertrauenskrise gegenüber vielen Herstellern schafft den Nährboden nicht nur für eine massive politische Willensbildung, sondern auch für die richtungsweisende Kompromisslosigkeit einer Gründerzeit. Jetzt entscheiden die „Industriekapitäne“ des 21. Jahrhunderts: „hopp oder top“.

Was sind nun die Leitfragen? Wir gehen davon aus, dass sie um die flexible Fabrik der Zukunft kreisen. Welche Varianten integrieren wir? Mit welchen Produkten wollen wir morgen auf welchen Märkten bestehen? Nachdem wir in den 1990er und 2000er Jahren die Effizienz im Ganzen in den Fokus genommen haben, folgt nun die Frage nach einer speziellen flexiblen Effizienz, die in den digitalisierten Autofabriken eine ganze neue Bedeutung gewinnen wird. Ingenics wird alle Erfahrungen, strategisches wie technisches Know-how aufbieten, um als „Enabler“ die richtigen Weichenstellungen zu unterstützen.

Was mir in Frankfurt besonders aufgefallen ist: Viele Besucher finden die Ideen von kleineren Zulieferern und Dienstleistern rund um die Mobilität besonders interessant. Während Branchenprimus Bosch die langfristige „friedliche“ Koexistenz von (zunehmend emissionsarmen) Elektro- und Verbrennungsmotoren beschwört, verzichten Unternehmen, die nicht zum Heer der klassischen Automobilzulieferer gehören, konsequent auf Bekenntnisse zu Technologien aus der Vergangenheit. Es sind die Aussteller der „New Mobility World“ in Halle 3.1, die mit Begriffen und Slogans wie „Urban Mobility“, „Connectivity“, „Mobilität 4.0 – elektrisch, vernetzt, automatisiert“ oder „Elevating a connected life“ aufzeigen, wohin der Trip geht. Für die IAA dürfte es die Reise von der Automobil-Show zur Mobilitätsmesse sein.

Auch für uns ist es eine existenzielle Frage, ob die Branche aus ihren Fehlern lernen und die richtigen Konsequenzen ziehen wird. Ich bin da sehr optimistisch und überzeugt davon, dass gerade die deutsche Automobilindustrie auch diesen Wandel bewältigen wird. Die Phase der Verunsicherung geht spürbar zu Ende, wir erleben es im Rahmen unserer Beratungsmandate zunehmend, dass die Bereitschaft zur kompromisslosen Veränderung an die Stelle der Unsicherheit tritt. Die Innovationskraft ist da – spätestens zur nächsten IAA Pkw werden wir den Mentalitätswechsel vollzogen haben, der die Voraussetzung für den Technologiewechsel ist.

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