Hinsichtlich Ausgleichzahlungen bei Flugverspätungen sind Teilstrecken bei Flügen mit Anschlussverbindungen nicht zu addieren, dies entschied heute der Europäische Gerichtshof in in Luxembourg – sehr zum Nachteil des Verbrauchers

München, 7. September 2017 (ah) – Der Europäische Gerichtshof fällte heute sein Urteil in der Streitsache Bossen (Rs. C-559/16 – Bossen gegen Brussels Airlines) über die Auslegung des Begriffs „Entfernung“ gemäß der Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004 – und damit auch über den Anspruch von Verbrauchern bei einer Flugverspätung. Infolge dieser Entscheidung bestimmt die direkte Entfernung vom Abflugort und letztem Zielort die Höhe der Ausgleichzahlungen für den Fluggast, unabhängig von der tatsächlich zurückgelegten Flugstrecke. Für die geschädigten Passagiere in der Streitsache Bossen, B e.a, bedeutet dies, dass sie nur 250 Euro statt der vom Fluggastrechtportal FairPlane geforderten 400 Euro für die Flugverspätung von Rom via Brüssel nach Hamburg von Bussel Airlines erhalten. Das Urteil gilt als wegweisend für ähnlich gelagerte Fälle. Für viele Verbraucher bedeutet dies, dass sie künftig viel weniger Geld bei einer Flugverspätung erhalten könnten.

Zum Hintergrund: Die Streitsache Bossen, B e.a.

Die Reisenden in der Streitsache Bossen, B e.a. hatten einen Flug von Rom nach Hamburg über Brüssel mit Brussels Airlines gebucht. Nachdem der Flug SN 3176 von Rom nach Brüssel mit Verspätung startete, konnte der Anschlussflug SN 2625 von Brüssel nach Hamburg nicht mehr erreicht werden. Die Passagiere landeten schlussendlich mit mehr als drei Stunden Verspätung in Hamburg und hatten somit gemäß der Fluggastrechteverordnung den Anspruch auf eine Entschädigungszahlung. Die Fluggäste wandten sich daraufhin an FairPlane, dem marktführenden Anbieter für Fluggastrechteservices, der bei Flugverspätungen, -ausfällen und Überbuchungen die Rechte von Flugpassagieren durchsetzt. FairPlane hat die Ausgleichszahlungen der Geschädigten gerichtlich geltend gemacht. Vor Gericht argumentierte die Fluggesellschaft, dass die Strecke Rom-Hamburg direkt zu berechnen sei (1.326 km) und diese Distanz für die Berechnung der Ausgleichzahlung zu Grunde gelegt werden müsse. Damit stünde den Klägern eine Ausgleichszahlung in der Höhe von je 250 Euro zu. FairPlane hingegen argumentierte, dass die tatsächlich zurückgelegte Strecke von Rom nach Brüssel (1.173 km) sowie die des direkten Anschlussfluges von Brüssel nach Hamburg (482 km) für den unbestrittenen Anspruch zu addieren sei: In Summe hätten die Passagiere damit 1.656 km zurückgelegt, wodurch sich der Entschädigungsanspruch auf 400 Euro pro Person belaufen würde. Die Strecken seien überdies zu addieren, da die Kunden keinen Direktflug von Rom nach Hamburg gebucht hätten, welche die beklagte Fluglinie im Übrigen auch gar nicht anbietet.

Das „skurrile“ Urteil – eine verbraucherunfreundliche Entscheidung

In der Streitsache Bossen, B e.a. entschied der EuGH, dass die Distanz vom ersten Abflugort zum Ankunftsort für die Berechnung der Entschädigungszahlung zu Grunde gelegt wird, wie von Brussels Airlines im Gerichtsverfahren gefordert. Dass diese Auslegung des Begriffs „Entfernung“ zu absurden Ergebnissen führen kann, zeigt dieses theoretische Gedankenspiel: Eine Reisegruppe bucht einen Flug von Rom nach Hamburg mit Umstieg in Madrid. Die Entfernung von Rom nach Hamburg direkt gerechnet, beträgt 1.310 km. Die Entfernung zwischen Madrid und Hamburg hingegen 1.780 km. Angenommen, der Flug von Rom nach Madrid wäre pünktlich, aber der Anschlussflug von Madrid nach Hamburg landet mit mehr als dreistündiger Verspätung, stünde den Fluggästen, die von Rom über Madrid nach Hamburg geflogen sind, gemäß der EuGH Entscheidung eine Entschädigungszahlung in Höhe von je 250 Euro zu. Fluggäste, die von Madrid nach Hamburg geflogen sind, erhalten eine Ausgleichszahlung von 400 Euro.

FairPlane hat sich dafür eingesetzt, dass für die Berechnung der Entfernung die tatsächlich zurückgelegte Strecke (Summe der Teilstrecken) herangezogen wird, der EuGH ist dieser Ansicht nicht gefolgt. Im Ergebnis bleibt die Frage offen, warum Reisende mit einer längeren Reisezeit und mit mehr tatsächlich geflogenen Kilometern zukünftig weniger Entschädigung erhalten als Passagiere mit einem Direktflug, wie in dem genannten Beispiel.

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