Legendärer Kaffee-Kult von Long Black bis Flat White
Kaffee hat sich zum Aushängeschild der australischen Stadt Melbourne entwickelt. Den Melburnians sind Bohne und Getränk fast so heilig wie anderen der Fußball. Gute Voraussetzungen auch für alle Australien-Reisenden, sich dem vollendetem Koffein-Genuss hinzugeben. In den Cafes der Stadt kümmern sich professionelle Baristas sorgfältig um das geliebte Heißgetränk. Hier ist Kaffee eine Kunst, die volle Aufmerksamkeit erhält. Die Koffein-Gurus hinter den Tresen haben den Kaffee-Kult perfektioniert und produzieren außergewöhnlich schmackhafte Kreationen – vom wieder entdeckten Pourover (Filterkaffee) über Syphons (Zubereitung im Glaskolben) bis hin zu Clovers (Kaffee aus einer besonders teuren Maschine). Und ein Cold Drip hat so gar nichts mit abgestandenem Kaffee gleich. Ganz im Gegenteil: eine Tasse kalten Kaffees von hoher Qualität passt zu dem gesunden Leben, das viele Australier führen.
Seitdem italienische Einwanderer in den 50er Jahren die erste Espresso-Maschine mit in die Stadt brachten, ist der Siegeszug der Bohne nicht mehr aufzuhalten. Mehr als 30 Tonnen Kaffee kommen täglich im Hafen von Melbourne an. Das entspricht drei Millionen Tassen – bei gerade einmal gut vier Millionenen Einwohnern. Kein Wunder, dass Melbournes Gastronomen die Kunst der Kaffeezubereitung perfektioniert haben. Große, internationale Kaffeeketten sind in der Bevölkerung verpönt und können sich nur schwer behaupten. Wer etwas auf sich hält, genießt in einem der vielen kleinen Cafes. Sie bieten oft nur wenige Sitzplätze, aber dafür umso besseren Kaffee. Die Bohnen werden oft erst vor Ort geröstet und entwickeln ein sanftes, blumig-fruchtiges Aroma, das die Australier für sich beanspruchen und „Melbourne-Coffee“ nennen.
Cafe oder Labor?
Die Pressen, Filter, Kolben und Kannen für die vielfältigen Variationen des schwarzen Getränks ähneln eher der Ausstattung eines Labors als der eines Cafes. Die Baristas bereiten jede Tasse mit solch einer Präzision zu, dass man unweigerlich an einen chirurgischen Eingriff denkt. Es gurgelt, zischt und tröpfelt: Hier geht es um mehr als einen perfekten Cafe Crema. Auch die Brüh-Technik hat wenig mit der einer ordinären Filtermaschine von früher gemein: Je nach Pulversorte wird reguliert, wie schnell das Wasser durch den Filter rinnt. Damit erreicht den Gaumen ein exzellentes Kaffeeerlebnis mit ausbalanciertem und niemals zu bitterem Aroma. Das hat sich herumgesprochen, und so pilgern die Menschen rund um den Globus immer wieder nach Melbourne.
Long Black oder Flat White?
Bevor man die erste Tasse bestellt, ist Fachwissen gefragt – und Entscheidungsfreude: Wer auf eine Tafel in einem Cafe schaut, dem kann schwindlig werden von all den Zubereitungsarten, Filtermöglichkeiten und verheißungsvollen Namen. Ohne einschlägiges Knowhow ausgestattet, tut es der Cafe-Gast am besten einem „Aussie“ gleich, der gerne einen Batch Brew nimmt. Dabei handelt es sich, um eine Tasse Filterkaffee, zubereitet mit der Bohne des Tages. Das ist nicht etwa ein Sonderangebot, auch hier füllen die Baristas nur das Beste in die Tasse. Dafür steht ein echter Melburnian auch schon mal Schlange – und zwar nicht nur, um morgens einfach wach zu werden.
Zu den unzähligen Kreationen, die täglich über Melbournes Kaffeetresen gehen, zählt auch der beliebte Flat White. Der Espresso mit aufgeschäumter Milch ist seit Jahren der Renner in Melbourne und hat mittlerweile seinen Siegeszug um die Welt angetreten. Laut einer Umfrage der Kaffeeindustrie bestellen 57 Prozent diesen doppelten Espresso mit gleichem Anteil Milch und einer feinen Schaumhaube. Weniger stark als ein Espresso Macchiato, aber stärker als ein Milchkaffee, ist er ein geselliges Getränk, weil er in Ruhe genossen wird. Wer seinen Kaffee lieber schwarz trinkt, bestellt zum Beispiel einen Long Black (= Espresso mit Wasser verlängert).
Nichts mit deutschem Eiskaffee hat der Cold Drip zu tun, obwohl er im heißen australischen Sommer besonders beliebt ist. Bei der Zubereitung wird das Pulver mit kaltem Wasser gelöst und zieht zwischen zehn und 24 Stunden in einem sogenannten Dripper nach. Dann erst wird der Kaffee durch einen Filter abgeseiht und kühl serviert. Durch das fehlende Erhitzen lösen sich mehr Aromen, aber weniger Säure und Bitterstoffe. Der Kaffee ist leicht süß, zitrus-fruchtig, mild und bekömmlich. Damit es so bleibt, haben Milch oder Eiscreme aus Sicht eines Profis hier nichts verloren.
Wer einen echten Melburnian Coffee genießen will, ist zum Beispiel in den Filialen der lokalen Anbieter Market Lane, Industry Beans und St. Ali gut aufgehoben. Sie alle setzen auf selbstgerösteten, saisonalen Kaffee. Die hier erhältlichen vakuumverpackten Röstungen sind auch ein beliebtes und authentisches Mitbringsel für Daheimgebliebene.
…noch mehr Kaffee-Jargon to go:
Syphon: Die Kaffeezubereitung in einem Vakuumbereiter mittels Unterdruck im Glaskolben ist nicht nur ein Fest für die Augen, sondern auch für die Sinne: Denn er kombiniert das Prinzip der vollständigen Auflösung des Kaffeepulvers in Wasser („full immersion“) mit einem Papierfilter. So hat der Kaffee viel Körper, während gleichzeitig seine Aromen klar herausgeschmeckt werden können.
Clover: Die außergewöhnliche (teure) Kaffeemaschine produziert außergewöhnlich guten Kaffee und erhält die Eigenheiten der Bohne.
Pourover: Fein gemahlenen Kaffee lässt man durch einen Trichter (per Hand oder in der Filtermaschine) ziehen und erhält ein pures Getränk.
Erlebnis-Tipp für Kaffee-Fans:
Wer tiefer in die eigenwillige Szene einsteigen will, dem sei eine der einschlägigen Stadtführungen empfohlen, die sich nur um Kaffee und Cafes drehen. Zum Beispiel der Coffee Lovers Walk von Wal Melbourne für 79 AUD. Jeden Donnerstag und Samstag werden in gut drei Stunden vier unterschiedliche Kaffee-Hot-Spots besucht.
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