Interview mit R+V-Expertin Patricia Rehse

Wiesbaden, 26. April 2018. Seit Ende März müssen in der EU neue Fahrzeugtypen mit dem automatischen Notrufsystem eCall ausgestattet sein. Besitzern aller anderen Autos rät das Infocenter der R+V Versicherung die Nachrüstung mit einem ähnlichen Notrufsystem. Patricia Rehse, Kfz-Beraterin bei R+V, erklärt, warum das Sinn macht.

Frau Rehse, bei einem schweren Unfall setzt eCall (Emergency Call) automatisch einen Notruf ab. Ziel ist es, durch den schnellen Einsatz von Rettungskräften Menschenleben zu retten. Doch bisher gilt diese Pflicht in der Europäischen Union ausschließlich für Fahrzeugmodelle, für die erstmals eine Typengenehmigung beantragt wird. Die meisten Autos werden also weiterhin ohne eCall gebaut und verkauft. Außerdem fahren viele Gebrauchtwagen ohne das System. Was raten Sie diesen Autobesitzern?

Patricia Rehse: Nach Berechnungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) dauert es noch fast zehn Jahre, bis auch nur die Hälfte aller Autos tatsächlich eCall an Bord hat. Deshalb haben sich die deutschen Kfz-Versicherer das EU-Vorhaben zum Vorbild gemacht und unter Federführung des GDV mit dem sogenannten „Unfallmeldedienst“ eine Nachrüstlösung entwickelt. Sie ist schon seit April 2016 auf dem Markt und hat ebenfalls die schnelle Rettung zum Ziel.
Wie funktioniert der Unfallmeldedienst genau?
Patricia Rehse: Kernstück des Unfallmeldedienstes ist der sogenannte Unfallmeldestecker, der einfach in den 12-Volt-Anschluss im Fahrzeug gesteckt wird. Er enthält Sensoren, die eine Kollision und die Schwere des Crashs erkennen. Via Bluetooth werden diese Informationen an die dazugehörige Unfallmelde-App auf dem Smartphone des Fahrers übermittelt. Die App wiederum meldet den Unfall an die Notrufzentrale der Autoversicherer, zusammen mit Informationen zur Schwere des Unfalls, der Position des Wagens und der Fahrtrichtung.

Gleichzeitig versucht die Notrufzentrale, telefonisch Kontakt zum Fahrer aufzubauen, um die Unfallsituation – sofern möglich – weiter zu klären. Je nach Unfallsituation übergibt die Notrufzentrale den Fall an die nächstgelegene Rettungsleitstelle oder organisiert eine Unfall- und Pannenhilfe. Das Ziel ist natürlich, Menschenleben zu retten. Denn im Notfall kommt es mitunter auf jede Minute an. Die EU rechnet damit, dass sich durch solche Notfallsysteme die Zeit zwischen einem Unfall und dem Eintreffen der Rettungskräfte um 40 bis 50 Prozent reduziert, je nach Unfallort. Der Unfallmeldedienst hat übrigens 2017 bei 280 schweren Unfällen schnelle Hilfe organisiert.

Wie groß ist der Aufwand für das Nachrüsten?
Patricia Rehse: Sehr gering! Ein Werkstatt-Besuch ist nicht erforderlich. R+V bietet beispielsweise den Schutzbrief „AutoNotruf“ mit Unfallmeldedienst. Die Kunden erhalten den Unfallmeldestecker nach Vertragsabschluss automatisch per Post. Den brauchen sie nur in den 12-Volt-Anschluss des Fahrzeugs stecken, „AutoNotruf-App“ downloaden, Registrierung durchführen, und schon ist das System startklar. Ab Juli wird die Registrierung übrigens noch einmal schneller gehen.

Warum macht das Nachrüsten aus Ihrer Sicht Sinn?
Patricia Rehse: 2017 haben sich mehr als 2,6 Millionen Verkehrsunfälle auf deutschen Straßen ereignet. Bei über 300.000 davon waren Personen betroffen. Diese Zahlen sind ein gutes Argument dafür, ein Notrufsystem im Auto zu haben. Zudem sind viele Autofahrer im Falle eines Falles überfordert und wissen nicht, wie sie bei einem Unfall oder einer Panne reagieren sollen. Mit dem automatischen Notrufsystem erhalten sie schnelle Hilfe – genau dann, wenn sie diese am dringendsten brauchen.

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