Laut Working Committee Kundenzentrierung des Travel Industry Club drohen Teile der Branche durch Disruption ins Hintertreffen zu geraten / Anbieter und Kunden stecken in Dilemmata / Think Tank des Travel Industry Club erarbeitet Thesen als wichtige Impulsgeber für die Branche
„Wer seinen Kunden nicht versteht, hat bereits verloren“, schreibt das Working Committee (WOC) Kundenzufriedenheit des Travel Industry Club (TIC) in einer seiner aktuellen Thesen. Andererseits sorge digitale Effizienz für ein deutlich verbessertes Kundenverständnis und so letztlich für mehr Gewinn.
In diesem Spannungsfeld, so die Mitglieder des WOC, seien Transparenz und Klarheit im Angebot für alle touristischen Anbieter mehr denn je Grundvoraussetzung. Wobei es primär nicht um Ertragsoptimierung im Sinne des Anbieters gehe, sondern um eine Individualisierung im Sinne des Kunden.
Das Dilemma aus Anbietersicht: Das Kundenverhalten erscheint heute extrem komplex und sprunghaft. Loyalität und tradierte Verhaltensweisen werden zunehmend in Frage gestellt. Der Kunde kann aus einer enormen Angebotsvielfalt, die durch die Sharing Economy noch zusätzlich beflügelt wird, stets das beste verfügbare Angebot wählen – und dabei zunehmend hybrid handeln. Denn er wechselt nicht nur die ihm zur Verfügung stehenden Angebote quasi beliebig, sondern auch die Kommunikationskanäle.
Weiter schreibt das WOC: „In dem Maße, in dem die Technik immer mehr hilft, die digitalen Angebote zu personalisieren, drohen traditionelle Anbieter wie etwa die Hotellerie bei dieser technischen Disruption ins Hintertreffen zu geraten.“ Im Vertrieb seien es bekanntlich schon heute primär externe Plattformen, die den Zugang zum Kunden gewähren und die für den Kaufprozess relevanten Daten generieren und aufbereiten. Zusätzlich würden persönlich geprägte Empfehlungen aus dem eigenen digitalen Netzwerk die Kaufentscheidungen der Kunden maßgeblich beeinflussen und standardisierte Produktbeschreibungen zunehmend ersetzen.
Auf diese veränderte Mediennutzung müsse die Tourismusindustrie dringend reagieren, fordert das WOC. „Kundenzentrierung ist in der digitalen Welt von elementarer Bedeutung“, betont Dr. Ute Dallmeier, Geschäftsführerin Windrose Finest Travel und Vorsitzende des WOC Kundenzentrierung.
Schließlich folge das disruptiv erscheinende Buchungsverhalten der Kunden weiterhin einem alten Muster, so die WOC-Mitglieder. Bestehende Nachfrage pralle auf ein exorbitant gestiegenes Angebot, das wiederum neue Nachfrage generiere. Und von dieser neuen Vielfalt könnten sowohl Kunden als auch Anbieter profitieren. „Wer beides einfach und unvergleichbar macht, liegt in Führung“, fasst Dr. Dallmeier zusammen.
Das Dilemma aus Kundensicht: Für ihn erscheinen viele Angebote, etwa aus der Hotellerie, zunehmend austauschbar. Produktdifferenzierung sei deshalb entscheidend. Das WOC schreibt dazu: „Eine Flexibilisierung des Angebots durch eine Segmentierung und individuelle Bündelung der Angebote, sogenanntes Unbundling und Ancillary Services, sind eine Option.“ Hierfür aber müssten touristische Anbieter auch ihre Preismodelle an die neuen Entwicklungen anpassen, ohne den Kunden dabei zu verunsichern. „Eine starke Marke kann hier weiterhin für Vertrauen und Orientierung sorgen“, sagt Dr. Dallmeier. Wer die Komplexität im Verkaufsprozess bestmöglich reduziere, sei im Vorteil.
Das WOC Kundenzentrierung ist eines von drei Working Committees im 2016 gegründeten Think Tank des Travel Industry Club. Die zwei weiteren widmen sich den Schwerpunkten Digital und Mobilität. In allen WOC werden aktuelle Thesen formuliert, um wichtige Impulse in die Branche zu geben und zukunftsweisende Entwicklungen entscheidend voranzutreiben. Dirk Bremer, President des Travel Industry Club, sagt: „Die Touristikindustrie zählt zu den wichtigsten Branchen in Deutschland. Umso entscheidender ist es, dass wir uns als führender Wirtschaftsclub der Reiseindustrie für eine starke Zukunft einsetzen und bei den relevanten Themen prägend sind. Wir vertreten Entscheider, Macher und Beweger der Branche. Die Arbeit der zahlreichen Experten in unserem Think Tank hat dabei eine elementare Bedeutung.“
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